CrossFit ist eine beliebte Trainingsmethode, die für ihre Intensität und Vielfalt bekannt ist. Regelmäßiges Training bietet zahlreiche Vorteile für die Gesundheit und Fitness. Wie bei jeder anderen Sportart gibt es auch den Wettkampfgedanken, der uns zu mehr Leistung antreibt. Der nötige Ehrgeiz ist wichtig, um Fortschritte zu machen, doch dieser kann auch negativ sein und im Übertraining enden. Das Wissen über ein Risiko für Übertraining ist weit verbreitet, die Wahrnehmung für die Anzeichen von Ermüdung, ist jedoch sehr unterschiedlich. Was zu der Frage führt, kommen ambitionierte Sportler überhaupt in einen Zustand des Übertrainings? In diesem Blogbeitrag befassen wir uns mit dem Thema Übertraining und Ermüdung im CrossFit und was überhaupt der Unterschied ist.
Zu unserer Einstiegsfrage: kommen ambitionierte Sportler überhaupt in einen Zustand des Übertrainings?
Ja, nicht so schnell wie die meisten annehmen würden und auch deutlich seltener als vermutet, jedoch sind Anzeichen für Ermüdung häufiger zu erkennen als eine chronische Untererholung (Übertraining). Vor einem Übertraining folgt immer zuerst die Ermüdung, welche unterschiedlich gruppiert werden kann. Der Zustand eines Übertrainings ist eher als Ursachenkomplex zu sehen und oft weniger auf das Training zurückzuführen statt auf die verminderte Regenerationsfähigkeit! (später mehr dazu)
Welche Formen von Ermüdungen gibt es?
- Lokaler Ort
- Peripheres Nervensystem
Das Nervensystem feuert nicht mehr so schnell wie es sollte und plötzlich fühlt sich die Holzbox zum Box-Jump deutlich höher an.
- Muskelzelle
Der Muskel selbst ist erschöpft und kann nicht die gleiche Leistung reproduzieren. Im dritten Satz Bizepscurls kannst du nur noch 6 Wiederholungen statt 10.
- Lokales Bindegewebe und Gelenkverbindung
Deine unsaubere Technik oder deine eingeschränkte Mobilität führen zur Ermüdung und Funktionsverlust des Bindegewebes und Gelenkstrukturen durch wiederholte Belastung. Du bekommst Gelenkschmerzen, Steifheit, Instabilität, eine verminderten Bewegungsumfang oder Schwellungen.
- Axial – vertikal Belastung
Durch eine vertikale Belastung (Langhantel) ermüdet die Muskulatur der Wirbelsäule und wird komprimiert. Das sind vor allem große Lifts wie Squat, Deadlift, Rows, Clean, Snatch and Jerk. Oft ist die Folge eine reduzierte Leistung bei wenig Volumen. Wahrscheinlich ist die Ursache neuronal, durch die Kompression, jedoch ist dies noch nicht vollständig geklärt.
- Systemisch
- Zentrales Nervensystem – Physiologisch
Die Nerven kommen mit der Wiederherstellung von Neurotransmittern, usw. nicht hinterher, um die Reize weiterzuleiten.
- Zentrales Nervensystem – Psychologisch
Du willst es wirklich sehr, du willst unbedingt diesen Rekord. Es ist wirklich hart weiterzukommen und der Versuch, immer und immer wieder weiterzukommen, wird dich psychologisch ermüden.
- Zytokine
Durch große Belastung ausgeschüttete Entzündungsstoffe nehmen Einfluss auf dein Immunsystem und die anderen Organe. Das hast du vielleicht schon erlebt, nach einer sehr harten Einheit wurdest du krank.
- Kardiovaskulär oder andere Organsysteme
Der Abtransport von Laktat, die Sauerstoffversorgung des Muskels, usw. ist gestört. Beispielsweise beim 400 m Sprint oder auf einem Air Bike-Sprint erreichst du plötzlich die „Laktat-Wand“, du brichst zusammen und kannst kaum mehr aufstehen oder laufen.
Warum ist die systemische Ermüdung besonders heimtückisch?
Du hast das Gefühl, du hast hart trainiert, da könnte man meinen, Mission erfolgreich – check. Doch nur das Nervensystem hat durch die Überbeanspruchung das Gefühl, dass du hart gearbeitet hast, deine Muskeln wurden nicht in dem Maße gereizt, wie es hätte sein sollen. Wahrscheinlich ist die systemische Überlastung ein großer Teil von Übertraining und nimmt dir Motivation und Spaß am Training.
Wie läuft der Prozess des Übertrainings ab?
Das Ganze können wir als Teufelskreis mit 4 Phasen bezeichnen, der fließend ineinander übergeht.
- Phase: Kompensation
Das ist die Phase, in der alles so läuft, wie man es sich als Sportler vorstellt. Die Trainingsbelastung führt zu einer Anpassung (Verbesserung), und die Regeneration erfolgt zügig.
- Phase: Stagnation (FOR – functional overraching)
Mit der Zeit kann der Körper die Trainingsbelastung nicht mehr vollständig kompensieren. Die Leistungsfähigkeit stagniert oder sinkt sogar leicht ab. In dieser Phase war sicher jeder Sportler schon mal. Müdigkeit und Erschöpfung können erste Anzeichen sein.
- Phase: Überlastung (NFOR – non functional overraching)
Die Regeneration des Körpers ist nun so vermindert, dass die Trainingsbelastung die Kapazität sich zu erholen übersteigt. Die Leistungsfähigkeit nimmt deutlich ab, die Symptome der Überlastung werden deutlicher:
- Körperliche Symptome: Infektanfälligkeit, chronische Müdigkeit, Schlafstörungen, Muskelschmerzen, Verletzungen
- Mentale Symptome: Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen, Motivationslosigkeit, Depressionen
- Phase Übertraining / Burnout
In dieser Phase kommt es zum völligen Zusammenbruch des Systems. Die Leistungsfähigkeit ist stark reduziert, mentale und körperliche Beschwerden sind stark ausgeprägt. Du wirst häufig krank sein und hast auch keinen Spaß mehr am Training.
Der Teufelskreis:
Übertraining führt zu einer verminderten Leistungsfähigkeit, die wiederum zu Frustration und dem Drang führen kann, noch härter zu trainieren, um die Leistung zu verbessern. Dies verschlimmert die Situation und führt zu einem Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Oft wird der Rat des Trainers ignoriert, da der Wunsch nach besserer Leistung einen nicht mehr „coach-bar“ macht und am Ende zwingt dich die systemische Ermüdung in die Knie.
Der Ursachenkomplex, der deine Regenerationsfähigkeit herabsetzt und zum Übertraining führen kann
Jetzt hast du die vier Phasen des Übertrainings verstanden und wie wichtig es ist, auf seinen Coach oder die Protokolle des Trainingsprogramms zu hören! Aber wieso kommt man überhaupt in das Übertraining, wenn es nicht unbedingt Schuld des Trainings ist? Der Reiz jeder Trainingseinheit ist für jeden Menschen individuell und hängt von vielen Faktoren ab. Als Überschrift für Übertraining ist immer fehlende Regeneration zu setzen. Die Kategorien der Ermüdung und der Ursachenkomplex von Übertraining werden von weiteren Faktoren begünstigt und haben nur einen ausgleichenden Faktor, deine Regenerationsfähigkeit, die wiederum von den Faktoren abhängig ist.
Ernährung und Lebensweise:
- Schlechte Ernährung – Du bekommst zu wenig Nährstoffe.
- Energiedefizit – Du bekommst zu wenig Kalorien, um den Motor am Laufen zu halten.
- Schlafdefizit – Du bekommst zu wenig Schlaf.
(Die Regelmäßigkeit deiner Schlafdauer ist wichtiger, als am Wochenende mal 12 Stunden zu schlafen, da der Körper kaum Schlaf “nachholen” kann. Wohl einer der unterschätztesten Faktoren zur besseren Gesundheit überhaupt. - Alkohol, Nikotin und (Koffein) – bekommen alle nicht deinen Schlaf und andere Regenerationsmechanismen zu gute.
Psychischer Stress:
- Beruf oder Schule – Du hattest mal wieder ordentlich Druck und bist im Stress.
- Familie und Partner – Du hattest einen Streit, der dich belastet.
- Trainer und Athlet – Du kannst den eigenen Erwartungen oder deines Trainers nicht gerecht werden.
Umwelteinflüsse:
- Infektionen, Magen-Darm-Störungen oder o.ä., zwingen dein Immunsystem in die Knie.
- Zu frühes Training nach Krankheit, führt zum Rückfall und vermindert deine Regeneration
- Allergien belasten deinen Körper
- Die Baustelle von nebenan treibt dich in den Wahnsinn.
Kurz gesagt: Je besser deine Regenerationsfähigkeit ist, desto unwahrscheinlicher ist ein Übertraining.
Eine Überlastung im Sinne von zu viel Training in einem kurzen Zeitraum kann dir einen Fortschritt verschaffen, wenn du deinem Körper die nötige Pause gibst. Ignorierst du jedoch diese Pause, dann führt das Training ohne ausreichende Regeneration über einen längeren Zeitraum zur Überlastung.
Was sind die Konsequenzen von Übertraining?
- Leistungsminderung: Stagnation, Plateau oder Abfall der Leistungsfähigkeit.
- Verletzungen: Erhöhtes Risiko durch verminderte Muskelfunktion und Koordination.
- Erkrankungen: Geschwächtes Immunsystem und erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten.
- Burnout: Chronische Erschöpfung und mentale Symptome führen zu Burnout und Depressionen.
Was kann ich nun als Prävention eines Übertrainings tun?
- Ausgewogenes Verhältnis: Training und Regeneration müssen im Gleichgewicht sein.
- Ruhetage: Mindestens ein bis zwei Ruhetage pro Woche sind notwendig.
- Schlaf: Achte auf ausreichend Schlaf (7-8 Stunden pro Nacht).
- Ernährung: Gesunde und ausgewogene Ernährung ist wichtig.
- Körpersignale: Höre auf deinen Körper und gönne ihm Ruhe, wenn er es braucht.
- Trainingsplanung: Strukturierter Trainingsplan, der auf deine Bedürfnisse abgestimmt ist.
- Periodisierung: Variiere die Intensität, Volumen und Übungen im Trainingsprogramm.
- Professionelle Unterstützung: Lasse dich von einem erfahrenen Trainer beraten oder werde Teil einer CrossFit-Community.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich im Übertraining bin, was zeigt mir eine Veränderung?
Klare Anzeichen sind ein erhöhter Ruhepuls am Morgen oder ein Abfall der Herzratenvariabilität (HRV). Du kommst plötzlich schlecht in den Schlaf oder wachst früh am Morgen auf und bist hellwach. Im Training fehlt dir die notwendige Konzentration, der Biss und du deine Leistung baut ab.
Ich habe dir einige Fragen zusammengestellt, die du als Checkliste nutzen kannst, um dein Risiko besser einzuschätzen für eine Ermüdung und des daraus folgenden Übertrainings. Je mehr Fragen du mit JA beantwortest, desto höher dein Risiko.
- Du schläfst regelmäßig weniger als 7-8 Stunden pro Nacht?
- Du isst spät am Abend?
- Deine Ernährung ist entzündungsfördernd? (Viel Getreide, zuckerhaltig, verarbeitete Lebensmittel)
- Deine Ausführung im Training ist optimierungsbedürftig?
- Du würdest am liebsten öfter im Bett bleiben?
- Dein durchschnittlicher Ruhepuls hat sich erhöht? (60 statt 50 ist schon ein klares Zeichen)
- Ich gehe regelmäßig „all-out“ im Training und falle auf schlechte Bewegungsmuster zurück?
- Du siehst an deiner Schulter Falten in deinem T-Shirt, wenn du vor dem Spiegel stehst? (Schulterposition und Körperhaltung)
- Es zwickt öfter mal im Training?
Abschluss:
Ermüdung und Übertraining sind ein ernstzunehmendes Problem mit negativen Auswirkungen auf deinen Fortschritt, Gesundheit und Fitness. Ich hoffe, durch diesen Blogbeitrag hast du mehr Wahrnehmung zu dem Thema bekommen und mit Beachtung der Tipps kannst du Übertraining vorbeugen und deine Gesundheit und Leistungsfähigkeit langfristig erhalten. Höre auf deinen Körper, variiere dein Training und gönne ihm die nötige Erholung, die er braucht. Verbessere stetig deine Technik, um einer Abnutzung vorzubeugen. Beachte immer den Stimulus-to-Fatigue Ratio deines Trainings. Solltest du weitere Fragen haben, dann melde dich gerne bei mir unter tim@crossfit-ortenberg.de
Wenn du noch zusätzliche Informationen zu den Multiple Erschöpfungszuständen willst, dann schau dir das Video von Dr. Mike Israetel an. VIDEO
Mehr ist nicht besser, besser ist besser und wenn besser für dich, mehr Pause bedeutet, dann ist das so!
von Tim Leibiger, Certified CrossFit Trainer Level 3